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Wenn Bewegung zur Medizin wird: Wie physiotherapeutisches Training chronischen Schmerzen vorbeugt

  • der Gesundheitsreport
  • 25. Feb.
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 16. Mai

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Kategorie Physiotherapie & Schmerzprävention


Chronische Schmerzen zählen zu den häufigsten Gründen für ärztliche Konsultationen und physiotherapeutische Behandlungen. Dabei ist bekannt: Bewegung kann ein wirksames Mittel sein – nicht nur in der Therapie, sondern auch in der Prävention. Physiotherapeutisch begleitetes Training zielt dabei weniger auf Belastung als auf gezielte Aktivierung und Steuerung. Dieser Artikel beleuchtet, wie Bewegung als therapeutischer Reiz wirkt – und welchen Stellenwert sie in der modernen Schmerzprävention einnimmt.


Was sind chronische Schmerzen?

Anders als akute Schmerzen, die eine klare Ursache haben und in der Regel mit dem Abklingen der Schädigung verschwinden, sind chronische Schmerzen komplex. Sie dauern über einen Zeitraum von drei Monaten hinaus an und sind häufig nicht mehr eindeutig auf ein Gewebeereignis zurückzuführen. Vielmehr entstehen sie durch ein Zusammenspiel aus körperlichen, psychischen und sozialen Faktoren.

Die moderne Schmerzforschung spricht dabei vom sogenannten „bio-psycho-sozialen Modell“. Dieses betont, dass chronische Schmerzen nicht nur auf strukturelle Probleme zurückgehen, sondern durch viele Einflussgrößen – etwa Bewegungsmangel, Stress, Schonverhalten oder negative Schmerzerwartungen – verstärkt oder aufrechterhalten werden können.


Bewegung als regulierender Reiz

Gezielte Bewegung aktiviert körpereigene Regelsysteme: Muskelaktivität fördert die Durchblutung, aktiviert das lymphatische System, verbessert die Gelenkfunktion und wirkt modulierend auf das zentrale Nervensystem. Studien zeigen, dass körperliche Aktivität unter bestimmten Bedingungen die Schmerzschwelle erhöhen kann – ein Effekt, der als „Exercise Induced Hypoalgesia“ bekannt ist.

In der Praxis bedeutet das: Durch spezifisch dosierte Bewegungsreize kann der Körper lernen, Schmerzen anders zu verarbeiten. Dieser Effekt ist nicht ausschließlich auf sportliche Betätigung beschränkt – auch einfache Alltagsbewegungen, wenn bewusst und regelmäßig ausgeführt, können einen schmerzlindernden Effekt haben.


Warum Vermeidung kontraproduktiv ist

Viele Menschen mit Schmerzen vermeiden Bewegung aus Angst vor weiterer Schädigung oder Verschlimmerung. Dieses Vermeidungsverhalten führt langfristig jedoch zu muskulären Dysbalancen, eingeschränkter Beweglichkeit und einer erhöhten Schmerzsensibilität. Der Kreislauf aus Schonung, Inaktivität und Verstärkung des Schmerzerlebens wird so weiter angetrieben.

Physiotherapeutisch begleitetes Training hilft, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Es vermittelt Sicherheit im Umgang mit dem eigenen Körper und macht Bewegungen wieder zugänglich. Die Aufgabe besteht dabei nicht nur im Aufbau von Kraft oder Ausdauer, sondern in der Wiederherstellung von Vertrauen in die eigene Belastbarkeit.


Welche Trainingsformen helfen?

In der Schmerzprävention liegt der Fokus weniger auf intensiven Trainingsreizen, sondern auf gezielter Bewegungssteuerung, Mobilisation und alltagsnaher Aktivierung. Oft kommen Übungen zum Einsatz, die die Koordination, das Gleichgewicht und die Haltung verbessern. Auch dosiertes Krafttraining mit eigenem Körpergewicht oder moderaten Widerständen kann hilfreich sein – vorausgesetzt, es wird angepasst und regelmäßig durchgeführt.

Wichtig ist dabei, dass die Belastung individuell abgestimmt ist. Eine zu hohe Intensität kann kontraproduktiv wirken, eine zu geringe bleibt wirkungslos. Die Rolle der Physiotherapie liegt darin, einen geeigneten Reizbereich zu identifizieren und in ein strukturiertes Übungsprogramm zu integrieren.


Bewegung und das zentrale Nervensystem

Ein zentrales Element in der Schmerzchronifizierung ist die sogenannte zentrale Sensibilisierung – also eine gesteigerte Reizverarbeitung im Rückenmark oder Gehirn. Diese führt dazu, dass selbst harmlose Bewegungen als schmerzhaft empfunden werden. Regelmäßige Bewegung hilft, diese übersteigerte Reizantwort zu normalisieren. Über neuroplastische Prozesse kann das Nervensystem lernen, Bewegungen wieder als ungefährlich zu interpretieren – ein zentraler Aspekt in der modernen Schmerztherapie.


Bewegung im Alltag etablieren

Präventives Bewegungstraining endet nicht in der Therapiesitzung. Ziel ist es, körperliche Aktivität wieder zu einem selbstverständlichen Teil des Alltags zu machen. Das bedeutet nicht, dass Betroffene täglich Sport treiben müssen – vielmehr geht es um regelmäßige, kleine Bewegungseinheiten, die ohne Leistungsdruck durchgeführt werden können: Treppen steigen, spazieren gehen, kurze Mobilisationsübungen im Büro oder zu Hause.


Bewegung ist keine Bedrohung, sondern ein therapeutischer Impuls – vor allem bei der Vorbeugung und Behandlung chronischer Schmerzen. Physiotherapeutisches Training bietet dabei eine sichere und individuell angepasste Möglichkeit, dem Schmerz aktiv zu begegnen, die Körperwahrnehmung zu verbessern und langfristig mehr Lebensqualität zu gewinnen. Wer frühzeitig beginnt, Bewegung als Ressource zu nutzen, kann die Entstehung chronischer Beschwerden oft verhindern – oder bestehende Symptome nachhaltig lindern.

 
 

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